1.5.07

Es ist Zeit

Morgen, der Tag ist noch jung, verlässt uns die Gnade, verlässt uns die Hoffnung.
Unsere Seelen haben sie genommen, Furcht ist ein fremdes Wort.
Allein stehen wir, nicht Freund noch Bruder will diese Welt.
Worte sind Waffen, Zeichen sind Zorn.
Tief fällt, wer fällt.

Und wenn bei der Prüfung einer neben mir sitzt, der Knoblauch gegessen hat oder durch die Nase atmet, Herrschaften, dann FLIPPE ICH AUS.

2.4.07

Wichtiges in Kürze

Toto ist gestern noch einmal zurückgekommen. Ihr Frauchen, die auch fast genauso heißt, hätte „Arschweh“, wurde mir zur Erklärung mitgeteilt. Immer noch Grund genug für das rührige Fellknäuel, die frisch gekauften, gottlob noch nicht imprägnierten Holzplatten des Vermieters mit goldgelber Flüssigkeit zu bedenken.
Der Nachbar von unten erwägt jetzt, „die Wohngemeinschaft mitsamt dem Vermieter“ zu verklagen wegen Lärm und Musik. Es seien Freitag Abend bestimmt 40 Leute da oben zugange gewesen. Na, damit wird er wohl kaum durchkommen. Denn wir haben ja jedem Gast eine Nummer gegeben und der Trommler aus Tunesien hatte immerhin schon mal die 78.
Wegen des Fortziehens vieler Bewohner findet jetzt bald eine große Nachmietersuche statt. Wer in der Schule schon immer in der letzten Bank saß, ein Känguru persönlich kennt und nach seinem eigenen Nachnamen riecht, der kann mich gleich mal anrufen.
Bald gibt es auch einen großen Bericht über die simulierte Gerichtsverhandlung im Rahmen meines Masterstudiums. Er wird dann, ersten Prognosen zufolge, wegen Schachtelsatztiefbau und Unspannendheit von „ungefähr keinem“ zu Ende gelesen werden.
Der Bekannte aus Asberbajdjan hat mir gesagt, dass er jetzt bald anfängt mit der Masterarbeit. Er hat wohl auch schon ein passendes Werk aus der Bibliothek entliehen. „Zum Einlesen“, wie er hinzufügte. Bei solchen Gelegenheiten pflege ich immer wissend mit dem Kopf zu nicken. Mehr braucht es wohl auch gar nicht.

1.4.07

Virtuos

Gestern erschien unangekündigt Herr Schumann. Er sah überhaupt nicht wie ein Herr Schuhmann aus, eher wie ein japanischer Tourist im Heimwerkermarkt.
Die Handy-Gürteltasche wollte nicht ganz zur überdimensionierten Hornbrille passen, aber Herr Schuhmann- so nannte er sich wohl nur im Spiel- war nicht gekommen um über Stilfragen zu sprechen. Er betrat die von einer Feier belebte Wohnung im 3. Stock, wo man gerade den Abschied eines spanischen Universalgenies feierte, und erzählte gleich 5 Witze. Davon war die Hälfte gelogen, aber ich musste dennoch, zu stark angeheitert durch diese Welle der guten Laune, das Zimmer wechseln. Herr Schuhmann folgte mir und bekam schnell heraus, dass ich aus Deutschland kam. „ainswaidrai! Guddentak! Wee hat hiii gefuuuuzt?“ sprach Herr Schuhmann und ich wurde von einer weiteren Lachlawine begraben. Das lag wohl auch daran, dass nicht ein liederlicher Student im Vollbesitz seiner Jugend zu mir sprach, sondern Herr Schuhmann, den man gerne auf über 50 schätzen durfte, ein Asiate mit Halbglatze und militärischem Schnurrbärtchen.
Als ich meinen Trinkanzug wieder halbwegs in Ordnung gebracht hatte, war unser Gast bereits mit neuen Opfern seiner fahrlässigen Sprüche beschäftigt: Er erzählte gutgläubigen Mädchen aus Übersee, er sei Professor für Brauereiwesen, was man ihm einfach so abnahm. Davon animiert verstieg er sich auch noch zu der kühnen Feststellung, der Chef der Village People sei ein Feuerwehrmann. Da wurde es mir aber nun doch etwas zu grob, und ich wollte dem unerhörten Apparatschik widersprechen. Allein, dies musste er geahnt haben, denn Herr Schuhmann drehte sich geistesgegenwärtig zu mir um, und rief (diesmal auf französisch): „Und bei den Village People war ja auch immer so ein deutscher Student mit Brille dabei!“ War natürlich auch wieder gelogen, wir wissen das. Aber schon nach wenigen Sekunden heftigen Nachdenkens war mir die Zielrichtung und Schärfe dieser Attacke klar geworden. Die Umgebung lachte schallend, und auch ich konnte mich wieder nicht enthalten.
Und da erkannte ich: Herr Schuhmann war der Großmeister.
Dieses Urteil musste ich 5 Minuten später etwas revidieren, als ich beobachtete, wie er Bier in seinen Nudelsalat schüttete.

4.3.07

Eins, zwei, Spaß!

Der Franzose an sich, jaja. Und erst recht der Südfranzose. Die haben sich schon einen gesunden Anarchismus bewahrt. Autoritätshörigkeit ist ihre Stärke nicht, wovon verschiedene Geschichtsbücher ein Lied singen können, ein ganz bekanntes sogar, es stammt aus Marseille. Ja, auch heute noch kommt der Franzose gern unorganisiert, laut und ordnungswidrig daher, manchmal macht er das bestimmt mit Fleiß. Wer also als Einheimischer an einer Ampel losfährt ohne zweimal zu hupen, wer sein Auto vorschriftsgemäß parkt und wer nicht mindestens einmal in der Woche Spraydosen, Fahrradreifen und alte Socken in seinem Garten verbrennt bis man in der ganzen Stadt die Hand nicht mehr vor Augen sieht, der darf sich nicht wundern, wenn ihm freundlich aber bestimmt die Staatsangehörigkeit entzogen wird. In aller Regel gegen jede Regel, könnte die Maxime lauten.
Auch der Karneval in Nizza, so scheint es mir, hat diese Erfahrung machen müssen. Einst als lustiges und ungezügeltes Stelldichein der einzelnen Stadtteile ausgedacht und durchgeführt, ein bunter und wilder Umzug des Unfugs eben, wie man ihn vielerorts schätzt und zelebriert, hat er in den vergangenen Jahrzehnten eine erstaunliche Metamorphose erlebt. Da finden mittlerweile, über zwei Wochen verteilt, in ganz regelmäßigen Abständen bestens organisierte Schaulaufen bezahlter Statisten statt, Tribünenplätze für peppige 20 Euro. Die Touristenfrachter parken auf der Promenade in einer endlos langen Schlange, damit die Insassen streng nach Plan kunterbuntes Treiben à la carte bekommen. Denn schließlich haben sie ja fürs Lustigsein bezahlt. Beeindruckende Licht- und Toneffekte runden diesen flotten Mischmasch aus Spaßkasperei und Kosteneffizienz sinnvoll ab.
Hier kommt der Einheimische ins Spiel: Wie auf Kommando kehrt er den Possen, die nicht mehr die seinen sind, den stolzen Rücken und marschiert in die Gegenrichtung. Eine Feier mit behördlicher Genehmigung ist für ihn wie Geschlechtsverkehr im Takt des Zwölfuhrläutens. Und wer wirklich glaubt, Konfetti zu werfen sei witzig, der darf sich schon mal einen Platz bei den Anonymen Pausenclowns aussuchen. Alle anderen treffen sich pünktlich irgendwann gegen Nachmittag am Hafen. Man bewegt sich locker zu entspannter Tanzmusik. Das Werfen von Mehl und Eiern gilt als allfällige Sympathiebekundung. Roséwein wird in eleganten Plastikbechern kredenzt. Wer nach 22 Uhr noch seinen Vornamen kennt, darf nicht mehr mitmachen. Das allerwichtigste aber: Die Veranstaltung darf einzig und allein durch einen größeren Polizeieinsatz beendet werden. Und mit dieser Regel nehmen es die Franzosen wiederum sehr genau.

Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an die Europäische Union, für das großzügige Bereitstellen von jede Menge 10-Cent-Eiern zum- in diesem Fall aber wirklich- auf den Kopf hauen!

26.2.07

Katzenjammer

Es war Abends und schon wieder musste ich mich heftig wundern. Nicht nur darüber, dass mein Fahrrad noch immer nicht geklaut worden war, sondern weil ich auf dem Weg zur Waschmaschine plötzlich aufgehalten wurde. Die Waschmaschine wurde nämlich vom schlauen Vermieter in der Wohnung über mir eingebaut. Und in eben dieser Wohnung gab es auf einmal einen Boxerhund. Angehörige dieser von mir favorisierten Hunderasse sind hochintelligent, können sogar Türen öffnen, an jedem hochspringen und stinken wie die freiwillige Feuerwehr. Ich wunderte mich also eine ganze Weile, denn die Anwesenheit dieses Hundes, der so aussah, als hätte ihn ein Kleinkind gezeichnet und ausgerechnet bei der Schnauze keine Lust mehr gehabt, ließ sich meiner Erinnerung nach nur schwer mit dem Gemüt meines Vermieters vereinbaren. Der hatte sich ja unlängst gar lautkräftig über einen sinnlos abgestellten Vogelkäfig geäußert. Da waren aber noch nicht mal Vögel drin gewesen. Mein spanischer Nachbar hatte das dreckige Utensil neben einer Nachtbar gefunden und so schnell wie möglich in seinen Besitz gebracht- mit Kot befüllte Vogelkäfige sind hier ein rares Gut. Er hat mir später auch erklärt, dass darin bald verschiedene Arten heimischen Federviehs von selbst ihr Zuhause finden würden. Die Tür zum Käfig würde er stets offenlassen, um jederzeit genügend Ausflug zu gewähren- abends kämen dann alle Bewohner zur Sperrstunde bestimmt wieder heimgeflogen. Kritische Anmerkungen oder Fragestellungen meinerseits verbot sich mein Nachbar und verwies in diesem Zusammenhang auf seine buddhistische Philosophie, die, man verzeihe mir dieses holperige Bonmot, mit Vögeln offenbar ein gut Teil zu schaffen hat. Auf diese Weise mundtot gemacht, und weil ich ohnehin grade aufs Klo musste, verließ ich den Schauplatz dieses zoologischen Wunders, das bald stattfinden musste.
Aber nun auch wieder zurück zum Hund. Da stand ich nämlich noch immer, hatte allmählich aufgehört mich zu wundern und schaute auf das mit einem Stummelschwanz wedelnde Getier herab. „Tu viens d’où?“ fragte ich in meinem besten Hoffranzösisch. Antworten konnte mir der Hund allerdings nicht mehr, denn schon brauste der bereits bekannte Spanier aufgeregt um die Ecke, der mir wortreich schilderte, was sich nunmehr in seinem Leben zugetragen hatte: Eine gute Freundin, ihres Zeichens Händlerin von Tand, Klimbim und Räucherstäbchen, habe ihm das Tier, Toto mit Namen und weiblichen Geschlechtes, für „ein Weilchen“ ausleihen müssen, da ein weiterer Bekannter dringend eine Weltreise mache. Diesen Kausalzusammenhang verstand ich freilich nicht sofort. Des Weiteren kamen in der mir aufgetischten Geschichte ein Auffahrunfall, 5 neu geborene Welpen und eine Zimmerpflanze vor, die auf der Straße herumgelegen hatte. Mich interessierte aber primär die Frage nach dem Einverständnis des Vermieters. Darauf bekam ich eine interessante Antwort: Der Hund bleibe ja nur ein paar Tage.
Ich versuchte schnell, so auszusehen, als hätte ich alles verstanden und fing an, meine Wäsche in die Waschmaschine zu stopfen. Toto half mir dabei, indem sie an den Dingen schnüffelte, die offenbar am dringendsten einen Waschgang benötigten. Dann aß sie aus dem Papierkorb.
Toto wurde bald eine vollwertige Mitbewohnerin. Nie hatte es unter dem Esstisch so sauber ausgesehen. Keiner freute sich so sehr wie sie, wenn jemand die Wohnung betrat. Und nie zuvor hatte es derart penetrant nach Hund gerochen. Grund genug für unseren spanischen Tierfreund, Totos Aufenthalt mehrmals zu verlängern. Kleinlaute Proteste der Mitbewohner, die unter anderem auf Allergien gegen Hundehaare verwiesen, wurden freundlich mit dem Hinweis abgetan, das komme nicht von Toto, sondern „vom schlechten Karma“ in dieser Wohnung.
Dieses Karma wurde aber nicht besser als wenig später unser Vermieter zum allwöchentlichen Vorbeischauen vorbeischaute. Dieser empfahl dem stolzen Heimtierbesitzer dringlich, künftig andernorts seinen Neigungen nachzugehen. Es lag entweder an den diplomatischen Bemühungen der Mitmieter oder dem überaus schlechten Gedächtnis des alten Hysterikers, dass er diese Forderung nicht aufrechterhielt. Sehr zu meiner Freude, denn so werden die gar heiteren Geschichten nicht allzu schnell ihr Ende finden.
Das schönste aber ist: Ich wohne ein Stockwerk tiefer. Dorthin kann ich jederzeit hinabsteigen, aus dem Fenster auf eine belebte Straßenkreuzung blicken und minutenlang den Kopf schütteln.

22.1.07

Für's Auge

Hier einige voneinander völlig unabhängige Fotos.


Berufsbilder der Gegenwart

Wer das Glück hat, in verschiedenen Ländern dieser Erde Copyshops aufzusuchen, erkennt schnell die international festgelegten Gemeinsamkeiten dieser Spezies von Dienstleistungsunternehmen.
Erstens: Der undefinierbare, aber nichtsdestotrotz auf angenehme Art unangenehme Geruch.
Zweitens: Die ständig gegenwärtigen "Kunden" dieser Copyshops, die mancherorts Charlie oder Siggi heißen, anderswo hingegen Bob oder Francois. Diese sind natürlich in Wirklichkeit keine Kunden, sondern kommen nur alle zehn Minuten "mal kurz vorbei", um fünf Tassen Kaffee zu trinken, dem Inhaber sachdienliche Hinweise über das ordnungsgemäße Betreiben eines Copyshops zu geben und kostenlos Flyer fürs nächste Oldtimertreffen zu kopieren. Gemeinsam ist diesen Imbisstisch-affinen Herren ein Hang zu sportiven Lederjacken und mutigen Schnurrbärten. Gern wird auch das Haupthaar strengstens nach hinten gekämmt. Im Falle von plötzlich auftauchender weiblicher Kundschaft verwandeln sie sich blitzschnell in einen Copyshop-Betreiber, und erklären auch unaufgefordert, wie alles funktioniert.
Drittens: Die Kompetenz der Copyshop-Mitarbeiter. Aus dem Regelwerk der internationalen Innung für Copyshops:
"Es dürfen bei Angestellten in und um Copyshops folgende Kompetenzen nicht oder nur mangelhaft nachgewiesen sein:
- Umgang mit USB-Speichergeräten
- beidseitiges Kopieren
- Umgang mit Fehlermeldungen jeglicher Art.
- Verhalten beim Aufleuchten roter Lämpchen
Sollte eine Fehlermeldung erscheinen oder ein rotes Lämpchen aufleuchten, so hat der Angestellte eines Copyshops umgehend in eine Schockstarre zu verfallen und aus dieser minutenlang nicht zu erwachen. Sodann ist telefonisch eine Außenstelle zu Rate zu ziehen, die das Problem fernmündlich zu lösen und durch ein neues zu ersetzen hat."
Es wäre nicht richtig, aus diesen Ausführungen zu schließen, ich suchte nicht gern einen Copyshop auf. Bestimmt werde ich selbst mal einen eröffnen.

11.1.07

Für Interessierte

Was so nicht im Reiseführer steht (Teil 1):

- Angeblich soll der deutsche Philospoh Friedrich Nietzsche seinerzeit einen Bergweg nahe der Stadt Nizza hinaufgestiegen sein. Dabei sei ihm das Schlusskapitel seines Monumentalwerks "Also sprach Zarathustra" eingefallen. Auch der Salzhofener Bierkönig Tobias Satzger "wandelte" im Rahmen eines Vatertagsausflugs dereinst auf diesen Spuren. Eingefallen ist ihm aber herzlich wenig.

- Wer werktags von ca. 8 bis 22 Uhr einen öffentlichen Kiosk aufsucht, kann Zeuge eines soziologischen Phänomens sein: Arabischstämmige Männer mittleren Alters gehen ihrem Tagewerk nach indem sie sich den ganzen Tag über in merkürdigen Dialekten anbrüllen. Manchmal hört es sich an, als erzählten sie Witze und vergäßen jedesmal die Pointe.

- Schnee gibt es in Nizza nur selten. Aber wenn, dann auch nur ein ganz kleines bißchen.